Leonard Howell gilt als der Begründer der Rastafaribewegung,
der in seiner Weltanschauung, Ideen aus der Bibel, von Marx, Eisenstein und Ghandi vereinte. Er war Mentor für Reggea-Größen wie Bob Marley oder Max Romeo und für sein revolutionäres Gedankengut, sowie für einen faszinierenden, tragischen Mut bekannt.
Leonard Howell wurde am 16. Juni 1898 in Clarendon (Jamaika) geboren. Als er in einem Mordprozess gegen einen entfernten Verwandten aussagen soll, verweigert er die Aussage, da er nicht mit dem kolonialen Justizwesen kollaborieren will.
Daraus resultiert, dass er die Insel verlassen muss. Er flieht, wie die meisten seiner Landsmänner, mit Hilfe eines Bananenbootes nach Panama. 1917 heuert Leonard Howell auf einem Transportschiff der US Army an. Er will die Welt sehen, vor allem Russland. Die Seeleute, die die neuesten Nachrichten und Ideen an Bord haben, erzählen von Lenins Theorien und bringen Nachricht von der Februarrevolution.
Leonard Howell ist von dem Gedanken „Friede – Land – Brot, für alle“ angetan und möchte dieses Land – das für ihn paradiesisch klingt – kennen lernen. 1920 kommt er nach Wladiwostok und muss feststellen, dass Russland vom Paradies noch weit entfernt ist.
Er fragt sich, ob dies das Ende des „internationalen Traumes“ sei. Sein Weg führt ihn weiter in das Mekka der schwarzen Kultur der zwanziger Jahre, nach Harlem in New York City. Howell wird inspiriert von schwarzen Juden, Jüngern der schwarzen Bibel und begeisterten Gandhi-Anhängern.
In New York trifft er außerdem auf Marcus Garvey, der die Krönung von Haile Selassie voraussagt. Garvey spricht sich offen für eine Rassentrennung aus und propagiert mit seiner Pan Africa Bewegung, der auch Leonard Howell beitritt, eine Auswanderung in ein geeintes schwarzes Afrika.
Haile Selassie, unter dem Namen Ras Tafari Makonnen geboren, wird 1930 zum letzten Kaiser Äthopiens gekrönt. Die Rastafaribewegung, deren Namen sich von seinem Geburtsnamen ableiten lässt, betrachtet Haile Selassie als ihren Messias.
Selassie wird unter dem Ehrentitel „Löwe von Juda“ gottgleich verehrt. Die Farben der Rastafaribewegung sind gleichzeitig die Farben der äthiopischen Nationalflagge. Im Oktober 1929, dem so genannten „Schwarzen“ Donnerstag, beginnt die „Große Depression“, eine schwere Wirtschaftskrise.
Für Leonard Howell stellen die Globalisierung und ihre Fehlschläge ein modernes Babylon dar. Babylon ist für Howell und die Rastafaribewegung der Ausdruck des Bösen. Der Begriff steht für alles, was an der Globalisierung nicht funktioniert, insbesondere assoziiert die Rastafari-Bewegung damit die Unterdrückung vieler Menschen durch den globalisierten Kapitalismus.
1932 wird Howell nach Kingston deportiert. Marcus Garvey, der bereits 1927 nach Jamaika abgeschoben wurde, möchte ihn für seine politischen Ambitionen gewinnen, doch Howell sehnt sich nach 18 Jahren des ständigen Reisens nach einem ruhigen Ort.
Er zieht sich in ein Tal im Bezirk Saint Thomas an eine heiße Quelle zurück und ist fortan als Heiler für die Bananenplantagenarbeiter tätig. Ihnen predigt er auch seine Lehren von Haile Selassie, ihrem Erlöser.
1934 wird Leonard Howell der Anstiftung zum Aufruhr angeklagt, nachdem er zuvor zu Ungehorsam gegenüber der britischen Kolonialmacht aufgerufen hatte. Er wird zu zwei Jahren Haft verurteilt, durch den Prozess erlangen er und seine Anschauungen in Jamaika Berühmtheit. 1936 wird Leonard Percival Howell aus der Haft entlassen und kehrt zurück in die Provinz Saint Thomas.
Mit sich trägt er ein Buch, das er unter einem indischen Pseudonym publiziert: G. G. Maragh. Durch den Kontakt mit der indischen Minderheit auf Jamaika fließen Teile der hinduistischen Religion in das Buch mit ein. Sein sozialer Status ändert sich nach seiner Freilassung dramatisch, er ist berühmt, gut vernetzt und wird als potentieller Führer der schwarzen Bewohner Jamaikas gesehen.
1938 schreibt der jamaikanische Politiker Alexander Bustamante, der 1962 der erste Premierminister Jamaikas wird, an das Britische Konsular einen Brief, in dem er Howell verleumdet und vorschlägt, ihn wieder zu inhaftieren. Der Verwalter der Britischen Kolonialmacht in Jamaika folgt seinem Rat und lässt Howell verhaften.
Damit er nicht zu einem Märtyrer werden kann, wird er vom Gouverneur nicht unter Anklage gestellt, sondern in eine psychiatrische Klinik eingewiesen. Im selben Jahr streiken die Plantagenarbeiter in Jamaika. Der Streik wird blutig beendet und stellt dennoch das Ende der Herrschaft der Plantagenbesitzer dar. Es ist der Beginn des Aufstiegs einer schwarzen intellektuellen Elite.
Leonard Howell hat die gedankliche Grundlage für die Streiks gelegt. Durch seine Inhaftierung zur Zeit des Umsturzes übernehmen Alexander Bustamente und Norman Manley die Führung der schwarzen Elite. Zur selben Zeit werden Zusammenkünfte der Rastas verboten. 1939 erwirbt Howell ein Stück Land, auf das sich die Bewegung zurückziehen kann.
Dort gründete er die Kommune Pinnacle, die zu ihrer Blütezeit ca. 2.600 Bewohner zählt. Doch 1954 setzt die erste Verhaftungswelle in Pinnacle ein. Rund 200 bewaffnete Soldaten verhafteten ca. 100 Männer der Kommune und brennen die Hütten nieder. Die Machthaber in Jamaika fühlen sich von der Kommune bedroht.
1958 wird Pinnacle endgültig zerstört. Ausschlaggebend ist Howells Weigerung, das Land auf seinen Namen zu registrieren. So kann die Regierung das Grundstück erneut verkaufen. Die neuen Besitzer lassen die Siedlung gewaltsam räumen. Die vertriebenen Mitglieder der Gemeinschaft siedeln sich im ganzen Land an und verbreiten Howells Weltanschauung.
Die Rastas dominieren das kulturelle und spirituelle Leben der Ghettos und prägen vor allem die Musik. Nach 1958 meidet Leonard Howell die Öffentlichkeit. Es finden Rasta-Tagungen statt und die Bewegung wählt neue Führer. Die Tagungen der Gemeinschaft sind die wichtigsten Orte für die Entwicklung der Rasta-Musik: Reggae.
Die Musik wird zum wichtigsten Kommunikationsmittel der Rastas. 1967 tritt Bob Marley der Rastabewegung bei und macht sie weltbekannt. Er wird zur Identifikationsfigur für eine ganze Generation. Währenddessen muss Howell sich versteckt halten. Seine Feinde spüren ihn immer wieder auf und er wird regelmäßig in psychiatrische Kliniken eingewiesen.
Als letzter, bis zum Ende unentdeckter Zufluchtsort bleibt eine Höhle tief in den Wäldern, in der er ein asketisches Leben führt. 1981 nachdem er 14 Jahre versteckt und abseits der Öffentlichkeit lebte, stirbt Leonard Howell, im selben Jahr wie Bob Marley.
Der empfehlenswerte Film „The First Rasta” von Hélène Lee, dokumentiert die Anfänge der Rastafari-Bewegung.